Eine Karriere in der vertrags(-zahn)ärztlichen Versorgung

- auch in der Zukunft eine lohnenswerte Perspektive? 

 

Die Frage aus der Überschrift lässt sich mit einem klaren und eindeutigen „Ja, …aber!“ beantworten

 

Ja:       Es gibt inzwischen eine ganze Reihe verschiedener Möglichkeiten der Berufsausübung in der vertrags(-zahn)ärztlichen Versorgung, sei              es als Angestellte oder als Vertrags(-zahn)ärztin/-arzt in einer Vertragsarztpraxis oder einem Medizinischen Versorgungszentrum.

 

Aber:   Viele Möglichkeiten bieten zum einen eine große Entscheidungsfreiheit, bedeuten auf der anderen Seite aber auch „die Qual der Wahl“.

 

 

Im Folgenden sollen die Möglichkeiten der Berufsausübung in der vertrags(-zahn)ärztlichen Versorgung näher vorgestellt werden, um Ihnen die Wahl zu erleichtern.

 

Zuvor bedarf es aber noch einiger grundsätzlicher Hinweise:

 

Um in der der vertrags(-zahn)ärztlichen Versorgung tätig zu werden, bedarf es einer Zulassung. Anders als bei den Zahnärzten unterliegen die vertragsärztlichen Zulassungen in der Regel einer Sperre. Das bedeutet, ohne an dieser Stelle auf Details einzugehen, das die Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit davon abhängig ist, dass ein(e) andere(r) Vertragsärztin/Vertragsarzt die Tätigkeit beendet und das Nachbesetzungsverfahren für diese Zulassung einleitet. Grundsätzlich erfolgt die Übernahme der Zulassung dann am bisherigen Praxisstandort in der gesellschaftsrechtlichen Konstellation des Vorgängers, also in Einzelpraxis, Berufsausübungsgemeinschaft oder MVZ.

 

Durch diesen Umstand wird die Wahl zunächst erheblich eingeschränkt, so dass es Sinn macht, sich auf ausgeschriebene Vertragsarztsitze zu bewerben, die bereits in der von Ihnen angestrebten Niederlassungsform eingebunden sind.

 

Anderenfalls wird es schwieriger, aber nicht unmöglich. Lassen Sie sich beraten!

 

 

I.

Einzelpraxis oder Gemeinschaftspraxis (Berufsausübungsgemeinschaft)

 

Bereits seit den 90er Jahren versuchen die berufsständischen Organisationen Ärzte/Ärztinnen und Zahnärzte/Zahnärztinnen in Gemeinschaftspraxen zu organisieren. Dies hat einen guten Grund, denn die Kosten der Praxis werden dadurch geringer. Man benötigt auch in der Kooperation nur ein Wartezimmer und eine Anmeldung, außerdem können auch teure Geräte in der Praxis von mehreren genutzt werden. Ferner wird weniger Personal, insbesondere an der Rezeption, pro Behandler benötigt.

 

Darüber hinaus gewähren die Kassenärztlichen Vereinigungen bei Kooperationen einen Honorarzuschlag in Höhe von 10 % auf das sogenannte Regelleistungsvolumen, also die ärztliche Grundvergütung.

 

Diese Vorteile gelten auch für Einzelpraxen, die angestellte Ärzte und Ärztinnen auf Grundlage vertragsärztlicher Zulassungen beschäftigen.

 

Ein weiterer Vorteil besteht auch bei der Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes bei Ausscheiden eines Mitgesellschafters. Die verbleibenden GesellschafterInnen haben ein entscheidendes Mitspracherecht im Rahmen des Auswahlverfahrens bei der Nachbesetzung.

 

Trotz dieser Vorteile der Gemeinschaftspraxis ist auch die Einzelpraxis noch längst nicht ausgestorben. Das liegt zum einen daran, dass bei Zulassungssperren eine Einzelpraxis eben nur als Einzelpraxis nachbesetzt werden kann. Es besteht dann aber die Möglichkeit, die Praxis „aufzustocken“. Dies ist zum einen durch das sogenannte „Job-Sharing“ möglich, der Nachteil dieses Modells ist allerdings, dass das Honorarvolumen dann auf das der bisherigen Einzelpraxis beschränkt wird und ein Zuwachs des Honorars nur von 3 % gegenüber der Einzelpraxis möglich ist.

 

Eine andere Perspektive kann auch sein, im Laufe der Zeit durch Sitzverlegungen oder Teilung der Zulassung Kooperationen mit anderen Kolleginnen und Kollegen einzugehen und die Tätigkeit dann an einem Standort oder standortübergreifend im Rahmen einer Berufsausübungsgemeinschaft fortzusetzen.

 

Unabhängig davon gibt es aber immer noch eine nennenswerte Zahl an (Zahn-)Ärztinnen und Ärzten, die sich bewusst für eine Einzelpraxis entscheiden und den wirtschaftlichen, organisatorischen und finanziellen Mehraufwand in Kauf nehmen, um die Praxisführung individuell gestalten zu können.

 

II.

Medizinisches Versorgungszentrum

 

Bei der Einführung des Medizinischen Versorgungszentrums als Beteiligungsform an der ambulanten vertrag(-zahn)ärztlichen Versorgung ließ sich der Gesetzgeber vom Vorbild der ambulanten Poli-Kliniken in der ehemaligen DDR leiten, um eine ambulante Behandlung der Patienten durch mehrere Fachgruppen „unter einem Dach“ zu ermöglichen. Diese damalige Vision ist heute einer anderen Realität gewichen:

 

Als Gründer eines Medizinischen Versorgungszentrums kommen im Wesentlichen zugelassene Ärzte und zugelassene Krankenhäuser in Betracht. Als weitere Gründungsberechtigte sieht der Gesetzgeber noch Erbringer nichtärztlicher Dialyse-Leistungen, anerkannte Praxisnetze, gemeinnützige Träger, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen oder Kommunen vor. Möglicherweise werden Kommunale MVZ’s zukünftig mehr als bisher eine Rolle in der ambulanten Versorgung spielen. Auch in Bremen wird über eine solche Gründung nachgedacht …

 

Für (Zahn-) Ärztinnen und Ärzte, die bereits in Einzel- oder Gemeinschaftspraxis niedergelassen sind, bringt das MVZ eigentlich keine nennenswerten Vorteile, das Gleiche gilt auch für (Zahn-) Ärztinnen und Ärzte, die in eine bestehende Praxis „einsteigen“ wollen.

 

Interessant ist das Medizinische Versorgungszentrum hingegen für solche Vertrags(-zahn)ärzte und -ärztinnen, die sich neben ihrer (zahn-)ärztlichen Tätigkeit auch unternehmerisch betätigen wollen, denn beispielsweise könnten auch Bremer Vertrags(-zahn)ärztinnen und -ärzte, die hier ihre Praxis betreiben, ein MVZ zusätzlich in anderen Regionen errichten, ohne dort selbst tätig zu werden.

  

Darüber hinaus können Krankenhäuser Medizinische Versorgungszentren gründen. Viele Krankenhäuser haben von dieser Möglichkeit bereits Gebrauch gemacht, um ihre stationären Abteilungen durch eine fachgleiche ambulante Versorgung zu ergänzen. Die Kritik, dass damit „der Einweiser zum Einweisen angewiesen werden kann“ blieb beim Gesetzgeber ungehört …

 

In den Mittelpunkt für die Gründung von Medizinischen Versorgungszentren sind inzwischen kleine, nicht kommunale Krankenhäuser gerückt, die über einen Versorgungsauftrag verfügen. Diese sind als Gründungsberechtigte für ein Medizinisches Versorgungszentrum auch für Investoren außerhalb des medizinischen Bereiches interessant. Durch Vernetzung der Krankenhaus-GmbH mit übergeordneten gesellschaftsrechtlichen Strukturen können sich fremde Kapitalgeber beteiligen. Dieses Kapital wird dann dazu genutzt, besonders umsatz- und gewinnstarke Praxen

(Labor, invasive Kardiologie, operative Augenheilkunde, Nephrologie, etc.) aufzukaufen und in Medizinische Versorgungszentren umzuwandeln.

 

Bisher ist nicht festzustellen, dass die neuen Strukturen Auswirkungen auf die medizinische Versorgung der Patienten haben, zumal seitens der Investoren großer Wert darauf gelegt wird, dass die bisherigen Vertragsärzte ihre Tätigkeit al Angestellte im Rahmen des MVZs fortsetzen und in der Regel jedenfalls als Ärztliche Leiter nach wie vor Einfluss auf die medizinische Versorgung haben.

 

Dennoch wurden seitens des Gesetzgebers wurden bereits Überlegungen angestellt, die MVZ-Gründungen auf einen Radius von etwa 50 km um das gründende Krankenhaus zu beschränken, bisher wurden diese Gedanken allerdings noch nicht umgesetzt. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Medizinischen Versorgungszentren auf Dauer auf die Sicherstellung der ambulanten Versorgung auswirken.

 

 

Januar 2024

 

 

H.-D. Wessels

-Rechtsanwalt-