Mit der Einführung des „Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetzes“ (GVWG) hat nunmehr der Bundesgesetzgeber eine Mindesthaftpflichtversicherungspflicht für Vertrags(zahn)ärzte und vertragsärztliche Psychotherapeuten in dem neuen § 95e SGB V statuiert. Diese sind künftig bereits bei der Stellung des Antrages auf Zulassung, Ermächtigung oder Genehmigung einer Anstellung verpflichtet, einen entsprechenden Versicherungsschutz nachzuweisen. Bereits tätige Vertragsärzte etc. auf Verlangen des Zulassungsausschusses.
Da davon auszugehen ist, dass demnächst nicht nur bei beantragten Neuzulassungen, Anstellungsgenehmigungen und Ermächtigungen Versicherungsnachweise vorgelegt werden müssen, sondern demnächst auch „von Amts wegen“ gefordert werden, empfiehlt es sich dringend für die von uns beratene Klientel nunmehr „proaktiv“ diesbezüglich beratend tätig zu werden.
1. Etwas sybillinisch formuliert § 95e Abs. 1 Satz 2, dass ein Berufshaftpflichtversicherungsschutz ausreichend ist, wenn das individuelle Haftungsrisiko des Vertragsarztes versichert ist. Die Mindestversicherungssumme nach den weiteren Bestimmungen dieses Gesetzes darf jedoch nicht unterschritten werden.
a) Die Mindestversicherungssumme für Einzelpraxen beträgt 3 Mio. Euro für Personen- und Sachschäden pro Einzelfall, wobei die Jahresgesamtversicherungssumme nicht unter dem zweifachen Betrag der Mindestversicherungssumme liegen darf, also 6 Mio. Euro betragen muss. Für eine Psychotherapiepraxis mag dies viel erscheinen. Für eine gynäkologische Praxis mit Geburtshilfe eher zu wenig. Hier könnte die Formulierung relevant werden, wonach das „individuelle Haftungsrisiko des Vertragsarztes“ versichert sein muss. Hier wird abzuwarten sein, ob die im Gesetz aufgeführten Spitzenverbände möglicherweise höhere Versicherungssummen vereinbaren werden.
b) Doch damit nicht genug. Für medizinische Versorgungszentren, Berufsausübungsgemeinschaften und Vertragsärzte mit angestellten Ärzten erhöht sich die Mindestversicherungssumme auf 5 Mio. Euro für Personen- und Sachschäden für jeden Einzelfall, wobei die Jahresleistung insgesamt den dreifachen Betrag nicht unterschreiten darf, also mindestens 15 Mio. Euro jährlich betragen muss. Dies unter Berücksichtigung dessen, dass der Versicherungsschutz in diesem Fall nicht pro Kopf bezogen ist, sondern „für die gesamte von dem Leistungserbringer ausgehende ärztliche Tätigkeit“ gilt.
2. Dies sollte künftig sowohl bei der Niederlassungsberatung als auch aus anderer gegebener Veranlassung in der Beratung unserer Mandanten berücksichtigt werden. Dies zumal die Zulassungsausschüsse vom Gesetzgeber aufgefordert werden, die bei Ihnen zugelassenen Vertragsärzte, Medizinischen Versorgungszentren, Berufsausübungsgemeinschaften und ermächtigten Ärzte bis zum 20. Juli 2022 dazu aufzufordern, das Bestehen eines ausreichenden Berufshaftpflichtversicherungsschutzes durch eine entsprechende Versicherungsbescheinigung (nach § 113 Abs. 2 VVG) innerhalb Frist von drei Monaten nachzuweisen. Kommt der Arzt oder die Berufsausübungsgemeinschaft dieser Aufforderung nicht innerhalb von drei Monaten nach, hat der Zulassungsausschuss das Ruhen der Zulassung mit sofortiger Wirkung zu beschließen. Deshalb sollte um „Stress“ für alle Beteiligten zu vermeiden, schon jetzt hierauf proaktiv hingewirkt werden. Dies insbesondere unter Berücksichtigung dessen, dass eine vorläufige Deckungszusage eines Versicherers die Versicherungsbescheinigung nach § 113 Abs. 2 VVG nicht ersetzt.
3. Abgesehen von Ungereimtheiten im Detail (6 Mio. Versicherungspflicht für Psychotherapeuten?) ist das Gesetzesvorhaben grundsätzlich nicht nur im Interesse der Patienten, sondern auch der Ärzte zu begrüßen. Letztere werden dadurch nicht nur vor bösen Träumen in der Nacht bewahrt, sondern – wenn sie es denn partout wollen – nunmehr auch in die Lage versetzt, für ihre beruflichen Zusammenschlüsse die Rechtsform der PartmbB wählen zu können.
Dies gilt indessen und wohlgemerkt nur für Vertragsärzte. Privatärzte unterliegen demgegenüber bis auf Weiteres lediglich der standesrechtlichen Verpflichtung eine angemessene Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen, ohne dass dies eine im engeren Sinne gesetzliche Verpflichtung darstellt, geschweige denn mit einer Mindestversicherungsleistung hinterlegt ist.