Der Vorwurf eines sogenannten „groben Behandlungsfehlers“ wiegt in Medizinschadenfällen besonders schwer. Dies deshalb, weil er mit einer sogenannten „Beweislastumkehr“ zu Lasten des Arztes verbunden ist. Normalerweise muss nämlich der Patient nicht nur einen Behandlungsfehler im Zivilprozess beweisen, sondern auch dessen Ursächlichkeit für den geltend gemachten Schaden. Die Beweislast kehrt sich allerdings bei der Außerachtlassung elementar gebotener Behandlungsmaßnahmen, deren Nichtbeachtung nach Auffassung des Sachverständigen absolut unverständlich sind, dahingehend um, dass die Behandlerseite im Falle eines groben Behandlungsfehlers beweisen muss, dass dieser nicht ursächlich für den Schaden eines Patienten geworden ist.
Dabei ist allerdings zu beachten, dass dies nur für den sogenannten „Primärschaden“ gilt, nicht aber für Folgeschäden, die sich wiederum aus diesem medizinischen Primärschaden ergeben. Dies hat gerade aktuell das Landgericht Bremen in einem Fall bestätigt, in welchem die Patientin vermeintlich infolge eines Operationsfehlers nach einer Schieloperation an einem „Doppelbildsehen“ litt. Das Landgericht nahm in dem konkreten Fall zwar einen groben Behandlungsfehler des Operateurs an, die daraus resultierende Beweiserleichterung für die Patientin beschränkte sich allerdings dabei auf den Schmerzensgeldanspruch für den Gesundheitsschaden selbst, und erstreckt sich nicht auf die angeblich daraus resultierenden Folgen für ihre private Lebensführung oder Erwerbstätigkeit.
Beschluss des Landgerichts Bremen vom 17.10.2023, Az.: 1 O 2073/19
19.02.2024
R. J. Gläser
-Rechtsanwalt-